Mundart-Archiv Sauerland

Das Plattdeutsche im Sauerland ist immer weiter auf dem Rückzuge begriffen.
Für den Erhalt der Sprache ist das Mundartarchiv Sauerland in Eslohe-Cobbenrode errichtet worden. Grundlegende Arbeit ist zunächst die Erfassung möglichst aller Orte im kurkölnischen Sauerland durch Tonaufnahmen: Menschen, die des Plattdeutschen noch mächtig sind, werden nach ihrem Lebenslauf befragt: Ist das Plattdeutsche Muttersprache oder als Zweitsprache erworben; wie wurden Schule und Berufsausbildung erlebt; eigene Familiengründung, zeitgenössische Aktualitäten wie Kriege, Währungsreform usw.

Dazu gehört auch die Nachfrage nach den sauerländischen Bräuchen wie Neujahrsansingen, Dreikönigssingen, Sonnenvogel-Kloppen, Osterfeuer, Krautweihe u. a. Zur Zeit liegen etwa 250 Aufnahmen aus verschiedensten Orten vor. Einige von ihnen sind bereits verschriftlicht und zusammen mit einer Begleit-CD veröffentlicht worden, so dass der mundartliche Text gelesen dazu und der authentische mundartliche Klang gehört werden kann. Das Mundartarchiv Sauerland verfügt außerdem über eine umfangreiche Bibliothek, die nicht nur Schriftliches umfasst, sondern auch weitere Tonträger und Videos in Mundart. So können Wissenschaftler wie auch Studenten und Schüler oder auch anderweitig an der Sauerländer Sprache Interessierte aus einem reichhaltigen Fundus für ihre Arbeiten schöpfen. Außerdem besteht die Möglichkeit der Betreuung: Nach Absprache werden für Gruppen Vorträge über die plattdeutsche Sprache durchgeführt; wer sich überhaupt mit dem Thema Plattdeutsch befasst, kann fachlich beraten werden. Ein besonders Anliegen ist auch die Weitergabe der Sprache an Kinder und Jugendliche, damit das sauerländer Platt auch in Zukunft noch weiter klingen wird.

 

Das Plattdeutsche im Sauerland ist immer weiter auf dem Rückzuge begriffen. Anderseits ist immer noch ein gewisses Interesse an der Sprache vorhanden, wie plattdeutsche Arbeits-gemeinschaften, Schreibwettbewerbe und sogar Lesewettbewerbe für die Schuljugend beweisen.

"Man muß den Bestand der plattdeutschen Sprache, wie er uns jetzt vorliegt, aufzeichnen und erhalten können" - und zwar in Ton und Bild. Das ist eine Idee des ehrenamtlichen Kulturreferenten und Leiters der Volkshochschule im Kreis Olpe, Klaus Droste, der das Plattdeutsche schon in vielerlei Hinsicht nach Kräften gefördert hat. Als zu erforschendes Gebiet bietet sich dabei das kurkölnische Sauerland an, in dessen Einzugsbereich sowohl der Kreis Olpe als auch der Hochsauerlandkreis liegen. In Absprache mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe, vertreten durch Prof. Dr. Hans Taubken, dem Ministerium für Kultur Nordrhein-Westfalen und dem Regierungspräsidenten Arnsberg, ferner durch Unterstützung der Kulturstiftung der Westfälischen Provinzial-Versicherungen, der beiden Kreise Hochsauerland und Olpe, hat der Sauerländer Heimatbund das Projekt "Mundarten im Sauerland" in seine Trägerschaft genommen.

Zu danken ist auch Dr. Adalbert Müllmann, dem ehemaligen Vorsitzenden des Sauerländer Heimatbundes, und Dieter Wurm, dem jetzigen Vorsitzenden, für ihre tatkräftige Unterstützung. Auch die Sparkassen der Kreise Hochsauerland und Olpe und die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke AG (RWE) unterstützen das Projekt. Grundlage der Arbeit ist zunächst einmal die Erfassung möglichst aller Orte des kurkölnischen Sauerlandes durch Tonbandinterviews. Leute, die noch Platt sprechen, werden nach ihrem Lebenslauf befragt: Wann und wo sind sie geboren; stammen die Eltern aus demselben Ort; war die erste Sprache der Jugend Platt oder Hochdeutsch; wie verlief die Schulzeit, die erste Kommunion oder die Konfirmation; wurde eine weiterführende Schule besucht, welcher Beruf wurde ergriffen oder blieb man daheim; spielte das Plattdeutsche auch im Beruf noch eine Rolle. Wenn Interesse für besondere Themen oder Hobbies vorliegt, wird auch dies mit berücksichtigt. Ist die oder der Befragte schriftstellerisch tätig oder für das Plattdeutsche auf andere Art besonders aktiv, wird auch danach gefragt. Besonders selbst Verfaßtes sollte dann zum Zuge kommen.

Weiterhin wird das Brauchtum abgefragt: Nikolaus, Weihnachten, Neujahrs-Ansingen, Dreikönigs-Singen, Lüttke Fastnacht, Sunnenvuëgel rut, Osterfeuer, usw. Zum Schluß sollen die Wenkerschen Sätze in die jeweilige Ortsmundart übersetzt werden. Um etwa 1870 versandte der Germanistik-Professor Wenker 40 unabhängig voneinander formulierte Sätze an alle Schulen des damaligen deutschen Reiches mit der Bitte um Übersetzung. Der erste Satz lautet: "Im Winter fliegen die trockenen Blätter in der Luft herum, der zehnte: "Ich will es auch nicht wieder tun", und der 27.: "Könnt ihr nicht noch ein Augenblickchen auf uns warten? Dann gehen wir mit euch. " - Auf diese Weise soll durch ein solches Interview ein abgerundetes Bild von der oder dem Befragten entstehen.

Da dies alles in plattdeutscher Sprache stattfindet, wird dabei auch ein mehr oder weniger umfassendes Tonbild der jeweiligen Ortsmundart erstellt. - Dadurch, daß (fast) dieselben Fragen an alle zu interviewende Personen gestellt werden, ist auch ein primärer Vergleich mit den verschiedenen Mundarten der Befragten möglich. Eine gewisse Abwechslung bringen dagegen die verschiedenen Angaben zu Beruf und Interessen resp. Hobbies. Dadurch sollen dokumentiert werden a) die verschiedenen Dialekte des kurkölnischen Sauerlandes, b) das Leben im kurkölnischen Sauerland auf privatem und geschichtlichem Hintergrund. So können einerseits Sprachwissenschaftler und Dialektologen mit solchen Dokumenten arbeiten, aber auch Literaten, Volkskundler (Brauchtum), Historiker (die beiden Weltkriege, Inflationszeit, Zeit des "Dritten Reiches" usw.) und Wissenschaftler anderer Disziplinen können anhand solcher Tondokumente Forschungen betreiben. Aber nicht nur wissenschaftlich Interessierte oder Heimatkundler können solche Interviews auswerten. Wenn z. B. Menschen eines Ortes wissen möchten, wie früher die niederdeutsche Sprache ihres Ortes geklungen hat, so werden sie hier fündig. Wer einen sauerländer Dialekt ganz oder teilweise lernen möchte, - etwa als Mitwirkender einer Laiengruppe, einer Plattdeutschen Runde oder aus anderen Gründen - kann anhand des Klanges der Sprache, die er auf dem Tonband hört, besser lernen als nur nach einem Buch, in dem zwar die Aussprache der Laute beschrieben ist, aber nicht hörbar gemacht werden kann.

Zum vollständigen Begreifen einer Sprache gehört grundsätzlich das gesprochene Wort, erst in zweiter Linie das geschriebene! Auch Schulklassen oder auch sonst Leute können sich mit der Sprache des Sauerlandes befassen. Deshalb ist ein weiteres Ziel für dieses Projekt, die Interviews auch zu verschriftlichen, so daß sie auditiv und visuell erfaßbar sein sollen. Wenn sich wirklich aus möglichst allen Orten des kurkölnischen Sauerlandes Menschen bereit fänden, ein solches Interview durchzuführen, bekämen wir flächendeckend eine Vorstellung von der bunten Vielfalt der sauerländischen Dialekte einerseits und von dem Reichtum sauerländischer Bräuche und Sitten andererseits; und es wäre nicht zuletzt eine Erfassung des Plattdeutschen als - noch - lebendige Sprache.

Denn eins muß uns klar sein: In einigen Jahrzehnten wird das Plattdeutsche keineswegs mehr eine lebendige Sprache sein - wahrscheinlich wird es dann kaum noch jemand sprechen. Derzeit liegen über 200 Interviews vor, aber verglichen mit der Fläche und mit den vielen Ortschaften im kurkölnischen Sauerland, ist das noch längst nicht genug.


Mit der Durchführung der Arbeit - zunächst der Interviews und später auch der Verschriftlichung der Interviews - hat man mich, Werner Beckmann, beauftragt. Geboren bin ich am 8. Februar 1951, in Bochum, habe erst die Volksschule, dann die Realschule in meinem Heimatort Bochum-Langendreer besucht. Auf dem Abendgymnasium in Essen begann ich mit 27 Jahren, das Abitur nachzuholen. Sofort nach der Reifeprüfung im Jahre 1981 studierte ich an der Universität Bochum Vergleichende Indogermanische Sprachwissenschaft, Altgermanistik und Latein; die Abschlußprüfung war der Magister Artium. Anschließend ging es nach Münster mit demselben Fächerkanon; ich schloß ab mit dem Doktorexamen; der Titel der Arbeit ist "Suppletion im Niederdeutschen (Unregelmäßigkeiten in der plattdeutschen Grammatik)". Zudem spreche ich auch noch selbst den plattdeutschen Dialekt meines Heimatortes, der den sauerländischen Mundarten nah verwandt ist.

Es wäre schön, wenn sich noch viele Leute bereit fänden und gemeinsam mit mir ein Interview in ihrer Heimatmundart durchführen würden. Sie tragen so in fundamentaler Weise zum Erhalt des langsam aussterbenden Plattdeutschen bei und ermöglichen so der Forschung in vielen Disziplinen und auch anderen Interessengebieten eine produktive Arbeit. Das Projekt „Mundarten im Sauerland“ hat mit Ende des Jahres 2001 seinen Abschluß gefunden.

Es wird seit dem 1. Januar 2002 fortgesetzt durch das „Mundartarchiv Sauerland“, das seinen Sitz im Stertschultenhof Cobbenrode in der Gemeinde Eslohe hat. Zur Förderung und Finanzierung des Mundart-Archivs ist ein gleichnamiger Trägerverein unter dem Vorsitz von Herrn Georg Scheuerlein gegründet worden (Trägerverein Mundartarchiv Sauerland e. V.).

Ihm gehören an der Hochsauerlandkreis, der Kreis Olpe, die Gemeinde Eslohe, der Museumsverein Eslohe, der Sauerländer Heimatbund, der Heimat- und Förderverein Cobbenrode sowie die Christine-Koch-Gesellschaft an. Die Zielsetzung des Mundart-Archivs Sauerland entspricht im Allgemeinen der des Projektes „Mundarten im Sauerland“.

Das Mundart-Archiv Sauerland hat zu folgenden Terminen geöffnet:

Dienstag     12.00-18.00
Mittwoch    09.00-12.00 und 14.00-18.00
Donnerstag 09.00-12.00 und 14.00-16.00 sowie nach Vereinbarung.

Betreuer: Werner Beckmann
Tel.: 02973/497 9927 
Fax: 02973/818561
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Anbei ein Link zu einem Bericht des Sauerlandkurier "Da biste platt"